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Daisy Johnson – Untertauchen

„Mitten in der Nacht rufst du nach mir. und wenn ich angerannt komme, fragst du, was ich hier verloren hätte“

Ein sehr treffendes Zitat was den Inhalt eines erstaunlichen Buches gut auf den Punkt bringt. Untertauchen stammt aus der Feder von Daisy Johnson und hat viel Furore gemacht. Warum? Weil der Observer schrieb „Eines jener Bücher die einem noch lange in Erinnerung bleiben“ oder The New York Times Book Review „Was für eine erzählerische Wucht“ druckte.

Eine Wucht ist die Erzählung und sie ist manchmal verworren. Und ganz zart entlehnt an griechische Tragödien, im Grunde aber eine Geschichte über eine toxische Bindung.

Das Cottage

Gretel sucht ihre Mutter. Sechszehn lange Jahre lang. Überall dort, wo sie einst waren: am Fluss, auf einem Pferdehof. Und bei ihrer Suche taucht sie immer wieder ein in die Welt, die sie einst verließ. Sie forscht nach, sucht nach Antworten und findet schließlich ihre Mutter. Doch die entpuppt sich als entrückt und eigentlich war sie das schon immer. Das Cottage ist der Erzählstrang der in der Ich-Form gehalten ist und sich fast wie ein stummes Gespräch zwischen Mutter und Tochter liest. Gretel, ohne Hänsel, aus dem Nichts alleingelassen vor 16 Jahren. Von einer Mutter die tausend Gründe hatte zu gehen, aber keinen davon verrät. Aus einer Mutter-Tochter-Bindung die toxisch war und geblieben ist. Eine Kindheit mit Isolation, nicht nur in der Sprache. Das Cottage ist der Ort der Wiedervereinigung, aber eigentlich eher das Tribunal. Die Hoffnung auf Antworten, auf Verständnis und vielleicht auch Erlösung.

Der Fluss

Mythisch und zugleich trostlos. Der Fluss ist ein weiterer Erzählstrang in Untertauchen. Einerseits der Ort an dem Mutter und Tochter lange lebten, wo auch Hänsel irgendwie auftaucht. Aber die Figur dieses Ortes ist kein Hänsel, es ist ein Marcus oder eine Margot. So als fiele es schwer eine eindeutige Figur aus der Erinnerung zu erschaffen. Da war ein Mensch und er prägte eine Zeit, aber er ist nicht mehr greifbar. Weder für Gretel, noch für ihre Mutter. Aber dieser Strang hat mehr in sich als „nur“ einen Mythos. Der Fluss und das Leben an ihm werden von Daisy Johnson zauberhaft und schrecklich zugleich beschrieben. Es reisst den Leser mit und manchmal kann man die Wellen gegen das Hausboot schlagen hören. Das leise knarren der Holzdielen vernehmen und den Nebel am Ufer wandern sehen.

Die Jagd

Sechszehn Jahre Suche oder doch Jagd? Zahllose Anrufe in Krankenhäusern und Leichenschauhäusern, mit der Zeit immer emotionsloser. Die Verarbeitung der Kindheit und ihrer Geheimsprache zwischen Mutter und Tochter. Im Prinzip beschreibt der Erzählstrand Die Jagd den Zwiespalt für Gretel. Einerseits hat sie das Verlassen der Mutter genutzt um dieser erschaffenen Welt zu entfliehen und andererseits hält sie die erfundene Welt in der Realität fest indem sie bei einem Wörterbuchverlag arbeitet. Sie jongliert die Geheimsprache wie kleine Bälle und versucht sie zu entschlüsseln. Vielleicht ist das aber auch nur ein letzter Anker im großen Meer der Fragen.

Fragen hat Gretel viele und jene Figuren der Erzählstränge auch. Aber keine davon lässt sich beantworten. Es gibt kein Happy End. Und genau das macht Untertauchen lesenswert. Verworren? Ja. Undurchsichtig? Ja. Aber gleichzeitig ist es auch so laut und so frei von Eindeutigkeit. Es ist kein klassischer Roman mit Anfang – Höhepunkt – Happy End. Keine schillernden Farben und seichte Musik. Untertauchen ist leise, trist und Mystisch. Es sind die menschlichen Abgründe die wir hier lesen können. Die Gedankenspiele die einen manchmal verfolgen. Und die immerwährende Suche nach den Antworten auf Fragen die nicht gestellt wurden.

Daisy Johnson
Untertauchen: Roman
Softcover
ISBN 978-3442717804

Über die Autorin

Die Stehauffrau bloggt über das Leben nach toxischen Beziehungen, die schönen Dinge des Lebens und den Weg dorthin. Stehauffrau steht für eine Frau die den Weg vom Opfer zur selbstbestimmten Frau gegangen ist.

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