Herr Klein blieb im Gedächtnis, nicht zwangsläufig positiv aber immerhin. Wer ihn nur oberflächlich kannte empfand ihn als eloquent, charmant und sympathisch. Die äußere Erscheinung war „normal“, er war ein Durchschnittstyp mit einem Durchschnittsaussehen. Von außen betrachtet ein „ganz normaler“ Mann.
Herr Klein allerdings war in der Eigenwahrnehmung nicht nur besser als alle anderen, er hielt sich auch für überdurchschnittlich gutaussehend, hochtalentiert und intelligenter als der Rest der Welt. Aus dieser Perspektive heraus betrachtete er andere Menschen automatisch als minderwertig und beurteilte diese nach ihrem Nutzen für ihn selbst. In den meisten Fällen ließ sich dieser Nutzen in Zahlen festhalten, denn Herr Klein hatte vor allem eines: kein Geld. In anderen Fällen waren es Kontakte, denn unser Herr Klein hatte selbstverständlich große Ziele. Was macht man nun als begnadeter Menschen dessen Talent und Geist einfach nicht erkannt wird? Man schummelt sich ans Ziel und dann hofft man nicht aufzufliegen.
Wer Herrn Klein näher kannte, der wusste: Dieser Mensch ist gefährlich. Der mangelnde Selbstwert unseres Herrn Klein zwang ihn dazu andere Menschen abzuwerten wo immer es ging. Schließlich muss man sich doch wenigstens einmal besser fühlen als andere, oder? Im Gesellschaftlichen Gefüge sah Herr Klein sich ganz oben, wo auch sonst? Der Haken an der Sache: Unser Herr Klein war eine Luftnummer. Da half es auch nichts mit geliehenem Geld auf „dicke Hose“ zu machen, denn irgendwann ist auch das geborgte Geld weg. Auch die Luxuskarossen auf anderer Leute Namen und einige Firmenwagen vermochten nicht darüber hinwegtäuschen, dass Herr Klein es nicht schaffte etwas aufzubauen, aufrecht zu erhalten und konstantes Einkommen durch eigene Hände Arbeit zu generieren. Er beschrieb diese Umstände natürlich anders, insbesondere waren immer andere schuld am eigenen Scheitern. Jene, die ihm nichts gönnten. Jene, die ihm nur schaden wollten. Jene, die nur sein Geld wollten.
Herr Klein holte sich die für sein überzogenes Ego notwendige Zufuhr durch Missbrauch. Er würde das – natürlich – nie so nennen. Die zahlreichen Frauen die darunter litten nannten es dennoch so. Über die Jahrzehnte konnte Herr Klein üben. So steigerte er seine Missbrauchstaktiken, gleichzeitig erschuf er Illusionen die ihm einige zehntausend Euro einbrachten. Ein lukratives Geschäft, wäre da nicht der Malus der Rückzahlungsmodalitäten. Talentiert mit Worten versuchte er allerlei um nun doch endlich mal reich zu werden. Unterwegs boten sich einige Gelegenheiten, aber unser Herr Klein hatte es nicht so mit ehrlicher Arbeit, tiefergehenden menschlichen Bindungen und vor allem nicht mit Authentizität. Diese Faktoren sorgten dafür, dass er es nie so recht „ganz nach oben“ schaffte und seine Frustration hierüber vorzugsweise an seinen Partnerinnen ausließ. Hier suchte er sich solche Frauen aus die eine Bonität vorweisen konnten, Charaktereigenschaften vorweisen konnten die er neidete und bei denen seine Taktik aufging. Wen er blenden konnte, den nahm er für sich ein.
Und so schaffte es unser fabelhafter Herr Klein durchs Leben zu kommen. Objektiv betrachtet was das ein eher bedauernswertes Leben und manche Ex-Partnerin fragte sich dutzende Male wie sie darauf reinfallen konnte. Denn die anfängliche romantische große Liebe endete stets in Schmerz, Schulden und Scham. Trennungen waren auch nichts für Herrn Klein, wer sich anmaßte ihn – den großartigen Herrn Klein – zu verlassen, der wurde gestraft. Jede Ex-Partnerin von Herrn Klein ist „Psycho“, ja wirklich! Jede, wirklich jede wollte ihn ja nur ausnehmen, sich an ihm rächen und überhaupt …… mit dieser Taktik fischte er sich seine nächsten Opfer, manchmal sogar mehrere gleichzeitig. Auch war Herr Klein nachtragend, so richtig. Diese Ehrverletzung einer Trennung konnte er ja so nicht stehen lassen! Was fällt den Frauen eigentlich ein IHN zu verlassen? Weshalb er auch sehr lange Zeit nach den Trennungen noch fleissig versuchte in Erinnerung zu bleiben. Man nennt das auch Stalking, er würde das natürlich niemals so bezeichnen.
Und das Happy End?
Tja. Das gibt es für unseren Herrn Klein nicht. Denn diese Figur beschreibt lediglich das, was ein typischer Narzisst so macht. Erschaffen habe ich unseren Herrn Klein aus eigenen Erfahrungen und aus Erfahrungen anderer Betroffenen von narzisstischem Missbrauch. Es scheint fast so, als gäbe es ein Handbuch für Narzissten, denn nahezu jeder weist im Verhalten, den Äußerungen und dem Nachtrennungsverhalten Ähnlichkeiten auf.
Solltest Du bei der fiktiven Geschichte von Herrn Klein Parallelen zu real existierenden Personen erkannt haben, ist das nicht verwunderlich. Narzissmus äußert sich noch viel subtiler, schlimmer und nachhaltiger als diese Geschichte. Aber es gibt ein Happy End: für Dich, für mich.
Echt.
Unser Happy End ist echt. Wir haben die Chance genutzt zu heilen, zu verstehen warum wir diesen Missbrauch erfahren haben und was getan werden muss einen erneuten Missbrauch zu verhindern. Und das ist echt. Während wir diese Weiterentwicklung genutzt haben um uns zufriedene, glückliche und ehrliche Leben zu erschaffen, verharren Narzissten in ihren Mustern. Sie werden nie erfahren wie sich echte Zuneigung anfühlt, wie erfüllend Liebe sein kann und was es bedeutet etwas geschaffen zu haben.
Und so bleibt unser Herr Klein genau das, was er ist: klein.
In diesem Blog teile ich meine Erfahrungen mit narzisstischem Missbrauch, sexualisierter Gewalt und meinem Weg in ein neues, erfülltes Leben. Ich bin Jessica, und ich bin eine Stehauffrau.
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