Seelenhaus

Das Frauenhaus – Vorurteile und wie es wirklich ist – Teil 1

Viele Menschen zucken bei dem Wort „Frauenhaus“ automatisch zusammen. Als wäre es ein dunkler Ort, ein schlimmer Ort, behaftet mit Ekel. Es gibt unzählige sehr geschmacklose Witze über eben jenen Ort. Aber was ist eigentlich ein Frauenhaus und wie ist es dort wirklich?

Ich war in zwei Frauenhäusern und möchte an dieser Stelle mit Vorurteilen und Unwissen ein wenig aufräumen. Eines vorweg:

Es ist der beste Ort auf der Welt wenn du flüchten musst.

Du wirst nirgendwo sicherer sein als genau dort.

Treffpunkt zur Rettung

Ich war gezwungen sehr schnell und ohne irgendetwas an Habseligkeiten zu flüchten. Es glich einer Flucht, denn wäre ich nicht gerannt wäre ich jetzt nicht hier und würde diese Zeilen schreiben. Ich war voller Angst und der letzte Ausweg war das Frauenhaus. Der Erstkontakt läuft über Telefon, ich rief an und war fertig. Mit mir, mit der Welt und voller Angst. Die Frau am anderen Ende fragte nicht viel, nur „Was ist passiert?“ und wo ich bin. Das geklärt nannte sie mir den Treffpunkt an dem sie mich treffen würde, fragte ob ich wichtige Unterlagen dabei hätte und riet mir – falls vorhanden – das GPS an meinem Handy zu deaktivieren, am Besten es ganz auszuschalten. Ich fuhr mit einem Taxi zum Treffpunkt und ja, ich hatte Angst. Frauenhaus war immer irgendwie mit Scham behaftet, es klang fast wie ein Schimpfwort. Als wäre das ein Sammelort für die „schlimmen“ Frauen. Angekommen am Treffpunkt traf ich eine Mitarbeiterin des Frauenhauses, sie war ruhig und gab mir dadurch Sicherheit. Das war wichtig, denn ich war voll mit Panik und Angst.

Erste Schritte, Regeln und durchatmen

Angekommen im Haus gab es ein kurzes Gespräch, man lernt sich kennen und  es gibt die wichtigsten Regeln: Niemals, unter keinen Umständen die Adresse des Hauses rausgeben. Das ist die wichtigste Regel. Der Rest gleicht einer WG und so ist das Leben dort eigentlich auch. Es gibt Putzdienste, gemeinsame Treffen und Hilfsangebote. Die Mitarbeiterinnen des Hauses oder auch Betreuerinnen sind geschult und wissen was sie tun. Das erste Mal seit Wochen fühlte ich mich sicher und konnte aufatmen.

Kunterbunt und dennoch vereint

Frauen jeden Alters und aller Schichten sind dort anzutreffen, aber alle haben eines gemeinsam: Erfahrungen mit Partnern, Angehörigen oder Freunden die sie traumatisiert haben. Das ist die Verbindung zwischen uns allen. Wahrscheinlich ist das der einzige Ort auf der Welt an dem Status keinen Wert hat. Die Mitarbeiter interessiert nicht ob du viel Geld verdienst, ob du einen Sportwagen hast oder wieviel du wiegst. Es geht ihnen darum Dir zu helfen. Sie beraten Dich was die weiteren Schritte anbelangt: Der Gang zur Polizei, Ummelden, Datenschutzsperre, Auskunftssperre, ärztliche und psychologische Betreuung und Perspektive schaffen.

Laut, leise – aber sicher

Das Leben im Haus empfand ich als kunterbunt. Je nachdem wie viele Kinder im Haus sind kann es mal leise und mal lauter sein. Das ist okay, schließlich leben viele verschiedene Menschen hier eng zusammen. Wer keine Nähe möchte der bleibt auf seinem Zimmer, wer Nähe möchte der geht in die Gemeinschaftsbereiche. Der Anfang war für mich persönlich schwer, ich hatte das Bedürfnis allein zu sein, meine Wunden zu lecken und zu schlafen. Das war nicht immer einfach. Aber es pendelte sich ein. Sehr oft habe ich abends mit den anderen Frauen zusammengesessen bei Tee und wir haben geredet, geschwiegen und irgendwann auch wieder gelacht. Haben uns ausgetauscht und auch gezofft. Wie eine bunte WG.

Natürlich gibt es Punkte die einem selbst irgendwann den letzten Nerv rauben: Die eine duscht gerne lange und du musst mal dringend für kleine Prinzessinnen, die andere vergisst ständig das Spülbecken von ihren Haaren zu befreien, diejenige die Küchendienst hat fühlt sich verarscht weil jeder einfach das Geschirr stapelt. Das gehört dazu. Aber auf der anderen Seite kocht man zusammen, weint zusammen, tauscht sich aus und lernt unheimlich viel.

Das Haus selbst ist nicht auffällig, es reiht sich ein in die Umgebung. Es ist nicht offensichtlich was sich hinter den Mauern verbirgt. Viele Frauenhäuser werden von Vereinen getragen und kämpfen um Spenden. Das ist an den Häusern selbst nicht zu sehen. Die Einrichtung in den beiden Häusern in denen ich war, glich einem Hotel. Kein 5 Sterne Haus, aber es war da was man brauchte: Ein Bett, ein Tisch, Stühle, Badezimmer, Küchen. Nichts spartanisches oder kaputtes. Die Zimmer waren hell und freundlich, das Haus ist immer so sauber wie seine Bewohner 🙂

Hilfe zur Selbsthilfe

Im Schnitt dauert der Aufenthalt im Frauenhaus zwischen 1 und 6 Monate, je nachdem wie schnell eine eigene Wohnung gefunden wird und wie die Gefährdungslage ist.Wichtig ist aber eines: Man ist nicht allein und die Aufgaben meistert man, mit oder ohne Hilfe, je nachdem was man möchte. Es ist im Prinzip ein sicherer Hafen und wenn du soweit bist kannst du hinausfahren auf das offene Meer. Ich habe drei Freundschaften für das Leben in genau diesem Haus gefunden. Eine Verbundenheit die es ohne das Frauenhaus nicht gegeben hätte.

Solltest du Hilfe brauchen kannst du hier: Nein zu Gewalt und Missbrauch informieren über Frauenhäuser in deiner Nähe.

Warst du selbst in einem Frauenhaus und möchtest darüber berichten? Schreib uns: Kontakt – Anonym, wenn du möchtest.

Über die Autorin

Die Stehauffrau bloggt über das Leben nach toxischen Beziehungen, die schönen Dinge des Lebens und den Weg dorthin. Stehauffrau steht für eine Frau die den Weg vom Opfer zur selbstbestimmten Frau gegangen ist.

(1) Kommentar

  1. Lauxen-Ulbrich, Maria sagt:

    Hallo, beeindruckend und wichtig solche Berichte. Ein kleiner Hinweis: ist es manchmal auch unsere Sprache, die manchen Männern suggeriert, wir sind nur weniger gut? Jedenfalls wünsche ich mir bei einer „Autorin“, dass keinesfalls am Ende „Über den Autor“ steht.

    Viele Grüße und bitte um Verständnis für meine Kritik

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