Kunterbuntes

Long Covid – Wenn man plötzlich nicht mehr funktioniert

Long Covid war bis Ende 2022 für mich etwas was andere haben. Wie so oft im Leben denkt man gerne „Das passiert mir nicht, das passiert anderen“. Und in den meisten Fällen scheint es auch zu stimmen. Aber wie es manchmal so ist: Es passiert nicht nur anderen, es passiert mir. Nicht das erste Mal im Leben sehe ich mich mit einer Situation konfrontiert, die ich so für mich nie vorhergesehen habe.  Da ich auf meinen Post hier zum Thema Nahrungsergänzungsmittel bei Long Covid / Post Covid / Post Vac und auch auf meine Posts auf Instagram viel Nachfragen erhalten habe, habe ich mich entschieden eine Reihe zu starten.

Sie soll weder eine Anleitung zur Genesung darstellen, noch irgendwie eine Richtung vorgeben. Denn wenn ich eines aus meiner Long Covid Sache gelernt habe, dann dass es keine 0815 Therapie gibt – Long Covid ist – leider – offensichtlich individuell. Daher hier der ausdrückliche Hinweis: Was für mich funktioniert hat muss nicht für euch funktionieren und umgekehrt! 

Gelbsucht?! Ich?!

Ende Dezember 2022 lag ich in der Notaufnahme des Krankenhauses weil meine Leber kurz vor dem Versagen war. Wie ich da hinkam? Tja, gute Frage.

Im März 2022 hatte ich die dritte Impfung mit Biontec. Im April 2022 besuchte mich Corona. So weit, so gut. Nach der Corona Infektion fühlte ich mich noch wochenlang schlapp und irgendwie immer so, als würde ich eine Erkältung bekommen. „Machen Sie sich keine Sorgen“ hieß es beim Arzt „Das ist bei Corona völlig normal, das wird wieder“. Nun denn, im Sommer plagten mich immer wiederkehrende Blasenentzündungen die ich mit Unmengen an Cranberriesaft irgendwann in den Griff bekam (dachte ich). Im Herbst 2022 hatte ich eine Nierenbeckenentzündung die mich knappe drei Wochen begleitete. Zwischendurch immer mal wieder absolute Tiefpunkte an denen ich mich völlig ausgelaugt fühlte.

Einige Erkältungen und Rückenschmerzen-Episoden später kam Weihnachten 2022. Während der Weihnachtsfeiertage ging es mir immer schlechter. Mein Hungergefühl sank gen Null und was ich aß erbrach ich postwendend. Da mein Hausarzt im Urlaub war ging ich zum Vertretungsarzt der nach einem kurzen Blick in mein Gesicht eine beginnende Gelbsucht sah. Kein Wunder: Mit einer schneeweißen FFP2 Maske war das gelbe Augenweiß nun auch wirklich nicht zu übersehen. Er nahm mir Blut ab und schickte mich nach Hause um eine Tasche zu packen, denn er würde sich melden sobald meine Blutergebnisse zurück kämen. Die kamen ein paar Stunden später und waren – gelinde ausgedrückt – katastrophal.

Intoxikation, ungeklärte Ursache

Also ab in die Notaufnahme. Dort angekommen musste ich mich arg zusammenreißen nicht einfach einzuschlafen, denn ich war müde. So müde. Wären die Schmerzen im oberen Bauch nicht gewesen und diese verdammte Schnappatmung – ich hätte im Stehen schlafen können. Da zu dieser Zeit die Corona-Maßnahmen noch umgesetzt wurden war ich völlig auf mich gestellt. Die behandelnde Ärztin nahm erneut Blut ab – was inzwischen gelb war . Ich war beunruhigt, denn ich wusste es stimmte etwas gewaltig nicht. Dann kamen die Fragen: Wie viel Alkohol und wie oft? Welche Drogen und wie oft? Welche Medikamente und wie oft? Wieder Blutabnahme. Ich konnte die Fragen noch beantworten: Alkohol kaum und in Maßen. Keine Drogen. Medikamente keine bis auf die Pille. Doch bis zum Ergebnis des erneuten Bluttests spürte ich die Unterstellung eines selbst herbeigeführten Leberversagens. Nachdem das Labor einige Stunden später die Ergebnisse zurück gab an die Notaufnahme sagte man mir: Intoxikation der Leber, ungeklärte Ursache, sie bleiben stationär.

Keine Ahnung was zu tun ist

Ich blieb bis ins Neue Jahr im Krankenhaus. Bedingt durch die Feiertage war die Personaldecke dünn, schnell wurden Infusionen gegeben und ich habe Medikamente erhalten, weiss aber nur aus dem Krankenhausbericht was überhaupt. (Warum auch mit dem Patienten sprechen?!) Zweimal täglich Blutabnahme, morgens Urinprobe. Dann Röntgen Brustkorb. Sonografie, Magenspiegelung an einem Tag. Eine Assistenzärztin hatte dann die zündende Idee: bedingt durch meine Angaben führte sie gezielt Tests und fand die Ursache: EBV. Ebstein-Barr-Virus oder auch Pfeiffersches Drüsenfieber. Ich habe EBV in meinem Blut und das in Kombination mit Impfung und/oder Covid-19 hat mich Schritt für Schritt in diese Situation gebracht. Da mein Antrag auf Impfschaden nach wie vor läuft, kann ich nicht sagen ob es nun durch die Impfung reaktiviert wurde oder ob die Covid-19 Infektion der Auslöser war. Fakt ist: EBV wurde reaktiviert.

Die Behandlung? Keiner weiss was. Es gibt schlichtweg keine Behandlung für Long Covid Symptome und damit einhergehend auch keine für Long Covid Symptome die durch eine EBV Reaktivierung ausgelöst wurden. Tolle Kiste! Etwa 90% der Menschen weltweit tragen EBV in sich. Die Langzeitfolgen sind zwar bekannt, so richtig kurieren kann sie aber niemand. Die Studienlage dazu verlinke ich am Ende dieses Posts. Wie ging es weiter?

Fast alle Organe Entzündet

Nach der Sonografie und der Magenspiegelung war klar: Das Leberversagen konnte abgewendet werden. Galle ist entzündet, Magen ist entzündet. Tolle Sache. Was also tun? Erstmal das Patentrezept bei Magen im Allgemeinen: Pantoprazol. Ätzendes Zeug was ich einige Wochen nehmen musste. Abgesehen davon: Anfang Januar 2023 bis weit in den Sommer hinein: Kein Zucker, kein Fett, kein Alkohol. Eine Diätform die es in sich und mich echt gefordert hat. Ich habe meine komplette Ernährung umgestellt und einiges an zuckerfreien Produkten ausprobiert. Nahezu fettfrei und ohne Zucker schmeckt vieles einfach nicht. Allerdings habe ich so auch einiges an Dingen entdeckt die ich für gut befinde.

Im Laufe des Jahres 2023 folgten dann noch weitere Entzündungen: Bauchspeicheldrüse, linker Herzbeutel, Eierstock, Gebärmutterhals, Darm und verschiedene Nervenentzündungen. Die Milz und Nieren sind bisher verschont geblieben, kann ja noch kommen. Parallel dazu: Immer wieder Rückenschmerzen durch Muskelschwäche und daraus bedingter Fehlhaltung, Schulter-Nacken-Problematik, verschiedene Bänder gereizt.  Seit Ende Dezember 2022 Fatigue. Von meinen Ärzten nun als Me/CFS deklariert. Eine reaktive Arthritis begleitet mich inzwischen auch, ich hoffe sie heilt bald aus. Im Großen und Ganzen werde ich unter Long Covid behandelt, die Begrifflichkeit steht hier allerdings nicht für eine Diagnose, sie steht vielmehr als Sammelbegriff für die vielen Facetten nach Covid-19. Auch ist nicht geklärt ob es sich um einen Impfschaden handelt oder ob Covid-19 die Kette der Erkrankungen ausgelöst hat. Inzwischen ist es mir tatsächlich  auch egal: Ich möchte genesen.

Long Covid und nun?

Diese Long Covid Sache, wie ich sie nenne, hat mich umgeworfen. Es passiert den anderen, mir nicht. Und dann knallt es einen um. Ich vermute mein Körper war so oder so nicht vorbereitet auf diese Infektionslast da ich Traumabedingt noch in den letzten Zügen des reinen Überlebens-Modus war. Auch das ändert nichts an der Tatsache erkrankt zu sein. Schleichend kam ich an den Punkt realisieren zu müssen: Ich funktioniere nicht mehr. Sport? Haha, nicht mal im Traum! An die frische Luft? Ja klar, wenn es denn geht. Spaziergänge 2022 waren – wenn überhaupt – 5-10 Minuten lang. Inzwischen nutze ich die Pacing Technik um meine Tage zu strukturieren, anders läuft nichts. Es gibt keine Behandlung, niemand hat einen Plan wie man das ganze in den Griff kriegt. Als Long Covid Betroffener braucht man einiges: Geduld, Zeit und Geld. Umso erschreckender finde ich den Umgang mit uns Betroffenen seitens der Politik, der Ärzte und Teilen der Gesellschaft. Die 0815 „an die frische Luft“-Fanatiker und jene, die Long Covid so leugnen wie Covid-19 insgesamt haben wenig Ahnung.

Ich bin betroffen und in dieser Betroffenheit habe ich noch Glück gehabt.  Zum großen Teil bin ich arbeitsfähig, habe Rückhalt meines engsten Kreises und kann mir zu 80% meinen Alltag so gestalten wie ich es brauche. Das können bei weitem nicht alle Betroffenen von sich behaupten.

Ich empfehle auch die Lektüre des Buches Long Covid von Prof. Dr. Korte

Links zum Selbstnachlesen:

 

Über die Autorin

Die Stehauffrau bloggt über das Leben nach toxischen Beziehungen, die schönen Dinge des Lebens und den Weg dorthin. Stehauffrau steht für eine Frau die den Weg vom Opfer zur selbstbestimmten Frau gegangen ist.

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