Kunterbuntes

Network Marketing – Das Geschäft mit der Leichtigkeit

Jeder der irgendwie im Netz unterwegs ist hat mit Sicherheit schon einmal einen dieser mysteriösen Posts alà  „Ich zeige Dir wie du mit deinem Handy Geld verdienen kannst“ gesehen. Manch einer wird auch die kryptischen Nachrichten kennen die zunächst einen seichten Einstieg wie „Kann ich Dir eine Frage zu Xyz stellen?“ haben und dann ans Eingemachte gehen. Network-Marketing, Netzwerk-Marketing, MLM oder wie man es sonst noch so nennen möchte. Es ist Seelenfängerei und ein riesiges Geschäft – nur leider verdienen die wenigsten damit wirklich Geld.

Tupperware, Avon und Co. – Wenig tun, viel verdienen

Die Urform des MLM dürfte wahrscheinlich allen bekannt sein, denn jeder hat die berühmt berüchtigte Schublade: Tupperware. Dann gibt es noch die Kerzen- und Schmuckpartys, Dessous- und Erotikpartys und natürlich auch Avon, LR und Co. In Zeiten vor dem Internetgeschäft waren diese Partys der Renner. Man kann sich über die Qualität der Produkte streiten, mit Sicherheit auch über den Preis, mit an aller grenzender Wahrscheinlichkeit aber wohl über die Methode. Bei den meisten Network-Marketing Dingen steht das Produkt zwar zunächst im Vordergrund – schließlich fängt man bekanntlich mit Speck Mäuse – es geht aber sehr schnell um den eigentlichen Kern: Vertriebspartner.

Angeblich soll man ja richtig viel Geld verdienen mit seinem eigenem Team. Da werden die Urinstinkte mal ganz galant angesprochen: Wenig tun, viel verdienen. Ganz ehrlich? Das funktioniert nicht. Auch wenn am Anfang Provisionen rumkommen, es wird nicht von Dauer sein. Der Knaller schlechthin ist aber doch eigentlich das Erfordernis die angebotenen Produkte zum „Partnerpreis“ zu kaufen um sie sodann weiterzuverkaufen. Wer verdient damit zunächst? Natürlich der Vertriebspartner der euch angeworben hat. Und der, der ihn angeworben hat und so weiter. Während die Provisionen nach oben mehr werden, müssen die unteren Ebenen richtig viel ackern um auf eine gute Summe zu kommen. So funktioniert MLM.

In Zeiten des Internets kamen noch andere Formen dazu. Natürlich gibt es nach wie vor Kosmetikprodukte, Schmuck, Kerzen und Co. Aber auch Bitcoin, Staubsauger und andere Wunderdinge. Über die sozialen Netzwerke lassen sich eben leichter – und anonymer – potentielle Bauernopfer finden.

Network-Marketing – Partner werben im Vordergrund

Natürlich ist jeder frischgebackene Vertriebspartner von den Produkten der eigenen Firma – pardon, der Firma deren Produkte man lediglich empfiehlt – anfangs überzeugt. Da werden munter Produktposts und -videos erstellt, alles in höchsten Tönen gelobt und zum Kauf animiert. Im Hintergrund sitzt allerdings der Vertrieb und der will Umsatz sehen. Da werden dann mal günstige HighClass Fahrzeuge versprochen, Traumreisen und Titel und alles, was den menschlichen Mangel eben so anspricht. Endlich mal jemand sein, sein eigener Boss und vor allem erfolgreich und natürlich so viel besser als jene, die so dumm sind einem regulären Job nachzugehen. Dafür musst Du lediglich deine Familie, deinen Freundeskreis und Bekannte werben, die dann wiederum ihre Familien, Freunde und Bekannte werben. Jeder muss natürlich erstmal das Produkt erwerben und du erhältst Provision. Gut, oder?

Meine Erfahrung: Nein, danke.

Ich schreibe das hier nicht von ungefähr. Ich bin selbst vor ein paar Jahren auf einen solchen Strukturvertrieb reingefallen. Zu dem Zeitpunkt stand ich vor der Wiedereingliederung auf dem Arbeitsmarkt und die Bewerbungslage war wenig ertragreich. Natürlich habe ich von einem flexiblen Homeoffice Job geträumt der mir ein gutes Leben ermöglicht. Und dann war ich drin. Gebauchpinselt von Anfang an, psychologisch wirklich gut gemacht denn die Anwerber lernen schnell und effektiv wie der Rattenfänger von Hameln neue Vertriebspartner zu werben. Dafür gibt es Seminare, Online und Offline. Offline natürlich vorzugsweise in angemessenen Räumlichkeiten die den internationalen Flair der Company unterstreichen sollen.

Produktschulungen? Wenn überhaut, wenig. Denn das Produkt steht nicht mehr im Vordergrund. Binnen weniger Wochen ist man völlig drin in diesem Universum von schnellem Geld. Für die Vertriebspartner gibt es natürlich verschiedene Stufen die zu erreichen mit Boni verbunden sind. Bei dem Strukturvertrieb den ich erlebt habe waren das Autos und Reisen. Auch heute noch muss ich lächeln wenn ich mal wieder einen geleasten Mercedes mit zwei großen Buchstaben auf der Seite sehe. Das ist Verarsche. Die Fahrzeuge werden zu angeblichen Sonderkonditionen angeboten, die Rate muss man selbstverständlich zahlen und kostenlos Werbung fährt man auch noch. Wäre alles kein Problem, wenn es denn nicht so dargestellt werden würde als könne man die Fahrzeuge quasi kostenlos fahren. Aber die Bedenken werden schnell beiseite gewischt, denn willst Du wirklich ein Auto fahren „in dem ein anderer schon gepupst hat“ (O-Ton)? Jaja.

Gleiches gilt für die Traumreisen. Extrakosten werden nicht erwähnt. Warum auch? Du bist doch schließlich Partner und du willst doch Vertriebsleiter werden, oder?

Seelenfängerei

Wer einer Erwerbstätigkeit nachgeht wird geimpft wie doof das wäre. Man könne sein eigener Chef sein und müsse nicht für den Porsche eines anderen arbeiten. Man könne viel mehr verdienen als die 9to5 Leute die jeden Tag wie die Lemminge zur Arbeit fahren. Kurzum: Erwerbstätigkeit wird entwertet. Der Wunsch nach Sicherheit überhört und die Werbung von weiteren Partnern zur Sicherung des eigenen Status in den Vordergrund gestellt.

Alles nicht schlimm, wenn da nicht ständig  so ein Geheimnis draus gemacht werden würde. Wenn nicht essentielle Dinge einfach verschwiegen werden würden. Denn: Du ackerst für den Porsche eines anderen, meistens irgendwelche Regionalleiter. Die interessiert es nicht dass Du eigentlich nur ein Produkt verkaufen wolltest und Kunden mit Beschwerden zu Dir kommen. Die juckt es auch nicht weiter dass es berechtigte Zweifel an den Gutachten zur Wirksamkeit der Produkte gibt. Bedenken werden niedergemacht, Kritik im Keim erstickt, denn dann „Bist Du wohl doch nicht so der Erfolgstyp“. Der Druck der dahinter steht wird von oben nach unten gereicht. Immer mit den Boni als Lockmittel vor Augen. Die wenigsten können von diesem Geschäft leben.

Leasons learned

Was ich für mich gelernt habe:

  • Wenn ein Produkt wirklich gut ist, dann braucht es keine „exklusiven Vertriebspartner“
  • Wenn um die eigentliche Aufgabe zunächst ein großes Geheimnis gemacht wird ist es meistens Network-Marketing
  • Wenn es wichtiger ist Partner zu werben als Produkte zu verkaufen, ist es Network-Marketing
  • Wenn es Versprechungen teurer Autos, Reisen und Boni ist, ist es Network-Marketing
  • Wenn Du erst selbst Produkte kaufen musst um dann als „Partner“ tätig zu werden ist es nicht seriös

Ich habe grundsätzlich kein Problem damit Produkte zu empfehlen. Ich habe auch kein Problem damit Produkte zu verkaufen. Aber ich habe ein Problem mit dieser Geheimniskrämerei und den Versprechungen. Wenn auch nur einer dieser verzweifelten Menschen ehrlich wäre und klipp und klar schreiben/sagen würde dass es ein Strukturvertrieb ist und man auf Provisionsbasis arbeitet, wäre es nicht nur ehrlich, es wäre seriöser.

Niemand hat jemals ohne etwas zu tun Millionen verdient. Es ist immer mit Arbeit verbunden. Und Empfehlungsmarketing ist ein hartes Geschäft, denn es wird Druck gemacht Menschen zu werben und dafür scheint einigen Vertrieben jedes Mittel recht. Ob es Fake-Stellenanzeigen sind die dann letztlich zu einem Vortrag über das „viel bessere und lukrativere“ Geschäft führt, ob es kryptische Nachrichten sind die suggerieren dass Du mit „nur einer Stunde Zeit pro Tag mehrere hundert Euro verdienst“ – es ist nicht ehrlich.

Es gab in den letzten Jahren unzählige solcher Network-Marketing Firmen, viele von denen haben nach ersten Kritiken im Netz schnell umfirmiert. Andere werben mit einem minderwertigen Produkt was so hoch in den Himmel gelobt wird um es dann irgendjemanden anzudrehen. Wie viele von den sogenannten Partner durch den Reinfall auf solche Vertriebe in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind, wird gerne verschwiegen. Weil die Leute ja dann selbst schuld sind, die Vorgaben waren klar und wenn die dann nicht verkaufen sind sie selber schuld. Rechtlich betrachtet wohl noch in der legalen Zone, es hat dennoch einen Beigeschmack. Und dabei geht es schon lange nicht mehr nur um Produkte, es geht auch um Kryptowährung mit demselben System.

Ich bin reingefallen und heilfroh nicht noch mehr Geld verloren zu haben.

Über die Autorin

Die Stehauffrau bloggt über das Leben nach toxischen Beziehungen, die schönen Dinge des Lebens und den Weg dorthin. Stehauffrau steht für eine Frau die den Weg vom Opfer zur selbstbestimmten Frau gegangen ist.

(2) Kommentare

  1. Susanne sagt:

    Ich kann das nur bestätigen. Bin vor ein paar Jahren auch mal angeworben worden, es war kein großer finanzieller Verlust ich habe es noch früh genug gemerkt.

  2. Betti sagt:

    Trifft alles zu! Und das Schlimme: Es funktioniert immernoch. Die werben Leute ohne Ende und die merken es nichtmal. Wenn dann kein Umsatz reinkommt ist die Überraschung groß und dann heisst es man hätte sich nicht genug angestrengt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Impressum / Datenschutz