Seelenhaus

Entwurzelt

Es gab ihn, diesen Punkt an dem ich mich nicht gefühlt habe. Kurz nach meiner Flucht, als funktionierende Hülle mit der Aufgabe den Scherbenhaufen jetzt zu kitten. Es war, als wäre ich gar nicht da. Als gäbe es nur diese funktionierende Version.

Die Ausgabe meiner selbst, die meine Ehe aus mir gemacht hatte. Die Version, die ständig auf der Hut war und darauf bedacht keinen Fehler zu machen. Die Version die einfach lief. Jeden Tag, rund um die Uhr. Eine Körperhülle gefüllt mit Vorgaben eines anderen. Mit einer Figur, erdacht in dem kranken Hirn des Puppenspielers. Und dann habe ich die Fäden gekappt. Alles sackte einfach herunter. So als würde niemand mehr die Puppe bespielen. Ihr keine Richtung mehr geben.

Entwurzelt. So fühlt sich das wohl an. Wenn man realisiert, dass man die Körperhülle mit Leben füllen muss. Die Seele wiederfinden und ihr wieder Farbe geben. Das ist eine Aufgabe. Eine schöne Aufgabe, eine Perspektive. Damals fühlte ich das so. Damals war ich einfach nur leer, ausgepowert, wie ein Häufchen Elend. Heute kann ich es immer noch nachfühlen. Aber heute ist wieder Leben in meinem Körper, meine Seele strahlt in bunten Farben und ich habe mehr als eine Perspektive.

Entwurzelt. Damals war es so. Keinen Boden mehr unter den Füßen. Keinen Halt. Und genau an diesem Tiefpunkt meines Lebens, mitten in diesem Grau und Schwarz, war ein kleiner Lichtblick. Was genau es war, ich weiss es nicht. Vielleicht der Wunsch meines inneren Kindes das Leben zu entdecken. Vielleicht die Sehnsucht endlich ich selbst sein zu können. Vielleicht auch einfach nur Überlebensinstinkt. Wer weiss das schon? Ich möchte es nicht wissen, wichtig ist nur: Es gab diesen Wendepunkt. Und ich habe es geschafft aus diesem Fall einen Aufstieg zu machen.

Entwurzelt. Altes kappen um für Neues Platz zu schaffen. Wie bei einer Pflanze. Wenn man alte Triebe stutzt kommen neue, dichtere nach. Meine Wurzeln sind heute in mir selbst. Ich kralle mich nicht mehr fest an Orte, an Menschen oder Dingen. Ich strecke meine Fühler aus und entdecke neue Orte, Momente und Dinge. Von Dauer ist in diesem neuen Leben nur eines: Ich selbst.

Wurzeln schlagen. In mir selbst und so tief, dass niemand diese kappen kann. Wahrscheinlich war es deswegen gut entwurzelt zu werden. Herausgerissen zu werden aus diesem alten Leben, was nicht echt war. Um dann neue Triebe zu schlagen, in einem Leben was nur mir gehört. Aufblühen und strahlen, in hellen Farben und immer wieder. Wie eine Pflanze die neue Erde, eine Portion Licht und Wasser bekommt. So ging es mir:

Aufblühen, aufatmen und wachsen.

 

Über die Autorin

Die Stehauffrau bloggt über das Leben nach toxischen Beziehungen, die schönen Dinge des Lebens und den Weg dorthin. Stehauffrau steht für eine Frau die den Weg vom Opfer zur selbstbestimmten Frau gegangen ist.

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